Sonntag, 3. Dezember 2006

wieso gibt es Religion?

religion

Ich gebe zu, es ist nicht leicht, über dieses Thema zu schreiben, mir ist es aber wichtig. Ich hoffe, niemanden mit meinen Worten zu beleidigen oder blasphemisch zu wirken; das ist nicht meine Absicht.
Religion an sich ist extrem vielseitig und zeigt gravierende Auswirkungen auf den Menschen und seine Geschichte. Woher aber kommt Religion?

Sehen wir die Fakten an, bildeten sehr frühe Kulturen, die noch in kleinen Stammesverbänden lebten, eine Art von Religion oder Polytheismus, wie er uns aus diversen südamerikanischen Eingeborenenstämmen bekannt ist. Mit sehr früh meine ich die Ära der Steinzeit, die vor 2,5 Mio Jahren begann und etwa 8000 v.Chr endete. Diese frühen Religionen waren von Magie geprägt, von Aberglaube und Okkultismus, großer Ehrfurcht vor Gottheiten und einem Lebensstil, der ständig mit der Religion im Kontext zu sehen waren. Die Religionen waren stark naturverbunden und bezogen Pflanzen- und Tierwelt in die göttlichen Absichten mit ein. Ebenso wichtig waren religiöse Rituale, oft praktiziert von Medizinmännern oder dem Stammesoberhaupt. Diese frühen Religionen bildeten sich zu ähnlichen Zeiten, lang, bevor Schrift oder genormte Sprache entwickelt waren. Nun stellt sich die Frage: Weshalb beginnen Stämme über die ganze Welt hinweg zu einer ähnlichen Zeit, Religionen zu entwickeln?

Ich denke, es gibt zwei schlüssige Thesen:
Erstere besagt, dass die Menschen damals, und zwar weltweit (Religion ist kein lokales Phänomen) Erscheinungen von ein oder mehreren Göttern oder Wundern hatten. Sie waren so tief von diesen Erscheinungen bewegt, dass sie ihre spirituelle Welt fortan auf diese Wunder bauten und den oder die Götter anbeteten.
Zweitere besagt, dass die Spiritualität ein Grundbestandteil des Menschen ist und ein Bedürfnis nach Religion hervorruft. Diese Eigenschaft müsste archaisch sein, demnach mit der Evolutionären Entwicklung von Affe zu Mensch einhergegangen sein, genauso wie Sprache und Intelligenz.

Beide Thesen sind nachvollziehbar, keine beweisbar. Über die zweite will ich etwas weiter ausholen:
Wenn wir annehmen, dass der Mensch die Eigenschaft zur Spiritualität oder zum Glaube an etwas Übernatürliches besitzt, so muss diese einen bestimmten Zweck erfüllen. Das entspricht auch der Realität; für viele Menschen ist der Glaube an einen Gott oft das letzte Auffangnetz vor dem Abgrund. Wenn die Welt aussichtslos und leer scheint, ist wenigstens noch eine Sache da, die Rückhalt bietet. Somit ist der Überlebenswille und die Hartnäckigkeit des Selbstschutzes höher, was der Spezies Mensch definitiv einen Vorteil im evolutionären Kräfteringen der Steinzeit gebracht haben verschaffte.In der heutigen Zeit, 2000 Jahre nach der Bildung einer weiteren Weltreligion, in einer Zeit, in der Stammesreligionen nur mehr in vereinzelten, unberührten Regionen der Welt existieren und der Rest der Menschheit sich zu einer großen Religionsgemeinschaft oder dem Atheismus bekennt oder Agnostiker ist, hat Religion einen ganz anderen Stellenwert erlangt. Sie wird Mittel zur Propaganda, wie wir es auf beiden Seiten der Terrorwelt erleben. Ich meine, dass dieser Konflikt Islam - Christentum seinen Anfang in den Kreuzzügen nahm; der Streit um das geheiligte Land, in dem die katholische Kirche zum Krieg gegen die Muslime ausrief. Die Kirche hat sich damals einen unverzeihlichen Fehler geleistet.
Möglicherweise auch ein Resultat der Angst vor dem imperealistischen, osmanischen Reich, das bereits ein paar Jahrhunderte zuvor in Europa einfiel - wie es auch immer sein mag, die heutigen Konflikte, die ihren Höhepunkt am 11. September 2001 oder im Irak-/Afghanistankrieg hatten, waren zumindest teilweise religiös motiviert.

Bis vor einem Jahr war ich aktiv katholisch, besuchte sonntäglich die Kirche und war Ministrant, bis ein Umdenken einsetzte. Ich fühlte mich zunehmend als Heuchler, der nicht mehr meinte, was er beim Gebet sagte. Schließlich war ich mir sicher, unsicher zu sein: Atheismus war mir persönlich zu hart, da er jegliche Faszination aus der Welt nahm, Katholizismus und Christentum etwas, an das ich nicht mehr glaubte. Ich sehe mich derzeit selbst als Agnostiker, als jemanden, der weder an Gott glaubt noch nicht an ihn glaubt - ich weiß es einfach nicht, ob es ihn gibt. Gottesbeiwese, wie Descartes sie z.B. durchführte, sind meiner Meinung nach nicht zielführend. Ich mag die neutrale Position eines Agnostikers.
Religion an sich hat viele positive und negative Seiten; sie zu verbieten, wie es damals in der UDSSR stattfand, halte ich nicht für sinnvoll. Dadurch würden zwar Religionskriege verhindert, aber unvorhersehbare soziale Probleme auftauchen - der Rückhalt wäre für viele Menschen einfach im
Nichts verloren.


bring it to mind.
.tobias
joerka (Gast) - 3. Dez, 19:44

Wenn man das ganze mal rein mathematisch sieht, wieviele Leute früher und heute überall auf der Welt daran glauben, erscheint es ziemlich unglaubwürdig bzw. chancentechnisch äußerst unwahrscheinlich , dass das alles nur eine Erfindung oder ein Trieb des Menschen ist.
Auch die Entstehung der Erde durch Zufall ist durch die Wissenschaft ja berechnet, und dermaßen unvorstellbar klein, dass man es im Prinzip gleich 0 setzen kann.
Aber gehn wir mal weg von Mathematik.

Die katholische Kirche damals hat ohne Zweifel VIELE Fehler gemacht, Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, Ablass, Inquisitation und Zwansmissionionierung in Amerika, trotzdem hat das keinerlei Zusammenhang mit dem heutigen Katholizismus, einfach weil das damals nicht zu ihrer Religion gepasst hat, was sie taten, und ihre Machtgier unter einem Mantel von Religion zur Täuschung verbargen.
Leider wird auch heute noch viel unter Religion verstanden, was nicht dazugehört. Allein die ganzen Terrorakte enstehen leider nur durch Menschen, die entweder ihre wahren Prinzipien hinter Religion verstecken oder durch Menschen, die zu engstirnig sind, zu erkennen, dass das, was sie tun, nicht ihrer Religion entspricht. Bzw. es mag auch irgendwelche abstrusen Religionen geben, wo es tatsächlich der Religion entspricht, die lasse ich jetzt mal außen vor.

Auch dass man in einem bestimmten Alter, meistens als Jugendlicher, beginnt, alles zu hinterfragen, ist, glaub ich normal. Besonders Religion allgemein ist ein von außen auf den ersten Blick betrachtet ziemlich wackeliges Gebilde, man kann nichts beweisen, nichts sehen etc. Doch deswegen heißt ja die Religion glauben an etwas und nicht wissen. Besonders im Bezug auf das Christentum finde ich einige Sachen der verschiedenen Richtungen (Katholizismus und Evangelismus) konkret HEUTE ziemlich merkwürdig, z.B. Heiligen/Maria-Verehrung, Homosexuellentrauungen, teilweise den Papst usw.
Nichts destotrotz glaube ich, dass da noch mehr dahintersteckt, dass es einen Gott gibt, und zwar Jesus Christus, nicht einen Buddha oder sonstwen.

Irgendwann kommt man an dem Punkt, wo man sich fragt "wieso lebe ich? was hat mein Leben für einen Sinn?" usw.
Evtl. findet man dann eine Antwort in Gott.

Leider weiß ich auch nicht, was ich sonst hierzusagen kann, diese Frage bzw ziemlich ähnliche Fragen (Gibt es einen Gott? Wieso lässt er dann das und das zu? ... ) sind vermutlich die meistgestellten Fragen der Menschheit, die wohl keine BEWEISBAREN Antworten bekommen wird.
Es ist auch sehr einfach zu sagen "Ist mir alles egal, ich hab keine Lust/Zeit etc. mich mit dem zu beschäftigen" oder einfach alles grundsätzlich abzulehnen.

Trotzdem hoffe ich, dass du (und alle anderen) irgendwann wissen werden / glauben, zuwas man lebt und wer einen geschaffen hat.

so long, joerka

Gentle - 4. Dez, 00:11

Im ersten Absatz muss ich dir widersprechen; gerade dadurch, dass die These besagt, Religion wäre Folge einer menschlichen Eigenschaft, resultiert daraus, dass alle Individuen davon betroffen sein müssen (sie alle gehören der Spezies Mensch an, und die These postuliert gerade dass sie dadurch den Zugang zur Religiösität haben).

Wg. Kreuzzügen & anderen Greueln der mittelalterlichen Kirche: Sicherlich, das ist so, aber dasselbe Glaubensgerüst, wie es heute ist, steht dahinter. Die Kirche ist lediglich ein paar Konzilien und Dogmas weiter, aber im Grundaufbau immer noch dieselbe - lediglich die umgebende Kultur hat sich geändert, so sind Hexenverbrennungen heutzutage z.B. undenkbar, Exorzismus gibt es aber immer noch (und das ist wirklich bedenklich ...).

bzgl. Terrorismus: Richtig, die Religion wird nur als heuchlerischer Vorwand benutzt, der Koran sieht nichts dergleichen vor, kann aber so gedeutet werden (und ich wette, man kann die Bibel so ähnlich verdrehen). Problematisch ist, dass das Thema Terrorismus nur mehr im Kontext Religion und Rasse steht, es ist von dort nicht mehr wegzubekommen und die Seiten werden sich weiter voneinander fortbewegen...

In der Religion den Sinn des Lebens finden zu können - ja, ganz meine Meinung, die Religion ist ein Rettungsanker, und eben wenn einem das ganze Leben sinnlos erscheint, kann er möglicherweise in Gott den Sinn seines Lebens entdecken.
Das ist eines der Grundprinzipien jeder Religion.

Ich bin mir nicht sicher, ob meine Skepsis (die weit in alle Gebiete des Lebens reicht, muss ich sagen) wirklich auf jugendlich-pubertäre Vorgänge zurückzuführen ist. Naja, ich lasse mich überraschen ;)

-tobias
joerka (Gast) - 4. Dez, 14:37

Es war nicht meine Absicht, deine Skepsis auf pubertäre Vorgänge zurückzuführen, tut mir leid, wenn das so durchkam.

Verdreh du mir mal bitte die Bibel so, dass Terror rauskommt, das wichtigste von allem kann man in zwei Gesetze zusammenfassen, die alles umschließen:
Der Glaube an Gott als einzigen Gott und die Nächstenliebe.
"Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen" - hat jetzt eher nichts mit Terror oder Vergeltung zu tun, würd ich sagen...
Natürlich, du kannst alles so verdrehen und verzerren dass es irgendwie zu deiner Einstellung passt.
Was die Kirche früher alles mit der Bibel verstanden hat, ist gegen die Bibel, wiegesagt, alles Mantel von Vortäuschung, rechtfertige mir mal Kreuzzüge, Inquisitation und Hexenverbrennungen mithilfe der Bibel!

Religion als Rettungsanker:
Fall 1 und es ist wirklich nur Einbildung, wenigstens hilft es dir dann
Fall 2 es ist KEINE Einbildung und es gibt wirklich einen Gott usw, dann wärs optimal sozusagen

Allerdings - was ist den deiner Meinung nach der Sinn des Lebens, deines Daseins, der Menscheit etc?
(wir schweifen ab in die Philosophie)


Natürlich gehören wir alle dem Spezies Mensch an, doch gibt es auch da teilweise große Unterschiede in den verschiedenen Regionen der Erde, dh es müsste wirklich ein Merkmal sein, was ausnahmslos ALLE Rassen überall zu allen Zeiten hatten. Das find ich nun wieder ein bisschen seltsam aber ok, kann ja sein ...

Exorzismus heißt einfach Geister austreiben, dh du findest es in soweit bedenklich, da du nicht an die Existenz von Geistern glaubst (als rational denkender Mensch, versteht sich) oder seh ich das falsch? Du denkst wohl, dass die katholische Kirche oder allgemein die Kirche an "Geister" glaubt, bzw an ihre Existenz, ist aus dem Mittelalter? Ist ja prinzipiell ein normaler Gedankenschluss, nur das Problem daran ist, dass es ja auch z.B. in der Bibel steht, dass es Geister und Dämonen gibt (im Gegensatz dazu steht nichts in der Bibel vom Zölibat, von der Marienverehrung oder von Homosexuellenhochzeiten (<== das wird außerdem überhaupt nicht gutgeheißen!) oder dass nur bestimmte Leute ( = Exorzisten) Geister austreiben können!) . Du musst nur aufpassen, was du bzw. die Kirche unter Geister versteht.


Wir können das ja im Skype gerne noch weiter ausbreiten, du musst nur mal da sein, wenn ich da bin :-)

So Long, joerka
Gentle - 14. Dez, 22:00

Sinn des Lebens und die Bibel mit ihren Schwachstellen

Klar, man kann die Bibel (wie jeden anderen längeren Text) verdrehen.
Denke man an Exodus, nachdem die Juden das goldene Kalb angebetet hatten - was tat Moses? er trommelte die Strenggläubigen Levitren zusammen und befahl ihnen, ihre Brüder, Freunde und Verwandten zu töten. Laut Altem Testament starben an diesem Tag um die 3000 Männer.


Gut, diese Stelle ist wohl eine Ausnahme (ich finde sie wirklich haarsträubend), aber trotzdem kann man sie und ähnliche dazu benutzen, Menschen ihres Glaubens Willen aufzuhetzen und ein Gemetzel anzurichten - so kann ich es mir zumindest vorstellen.


Punkt Spezies Mensch: Es könnte so etwas wie die Fäöhigkeit, zu lesen sein. Die Fähiogkeit zu schreiben, Sprache zu erlernen, zu malen, zu dichten, zu komponieren. Vielleicht gibt es sie, diese Fähigkeit, zu glauben.


Der Sinn des Lebens... nun, ich habe meine ganz mh, eigene Stellung dazu -
Ich denke, der Sinn des Lebens beweist uns, dass unsere erkenntnistheoretischen Auslegungen zumindest in diesem Fall nicht greifen: Der Sinn des Lebens ist nicht erkennbar oder begreifbar, er ist nichts bestimmtes oder festlegbares, und vor allem kann man nie von sich behaupten, ihn gefunden zu haben.
Man kann lediglich behaupten, nach ihm gesucht, geforscht zu haben, versucht zu haben, ihn zu verstehen, sich auf einen Weg begeben zu haben. Wenn man sich selbst erkennt, das eigene Tun durchschaut hat und gemerkt hat, dass man das ganze Leben über auf der Suche nach dem Sinn des Lebens war - dann hat man ihn wahrlich gefunden.


-tobias

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