Zwei Wochen ohne Alltag

Donnerstag, 14. Dezember 2006

Ein Experiment

alltag

Es ist etwa eineinhalb Jahre her, als ich mit einem Freund redete und draufkam, dass ich eigentlich ein höchst langweiliger Mensch war. Ich hatte meinen relativ fixen Tagesablauf, guckte täglich die Simpsons, machte meine Hausaufgaben, spielte am Computer und war den ganzen Tag lang zuhause. Ein klein bisschen auch der langweilige Aussenseiter.

Nun, dieses Chatgespräch gab mir zu denken, und ich steigerte mich immer mehr in die Idee hinein, dieses unreife, ungemein langweilige Kellerkind in mir abzuschütteln.
Jetzt, 1,5 Jahre später, ist das Kellerkind längst vorbei. Existiert nicht mehr. Vergangeheit, und wird nie wieder sein.
Verglichen mit damals bin ich um einiges glücklicher, verrückter, chaotischer, planloser, flexibler und freier. Kurzum: Eine echte Evolution meiner selbst, die schon viel früher hätte sein sollen. Wenn mich damals jemand beschreiben hätte müssen, hätte er wohl "zurückgezogen" gesagt. Heute wohl eher "abgedreht" - wie man das nun auslegen will, positiv oder negativ, ist mir egal - hauptsache, ich bin nicht irgendein Durchschnitt, nicht "normal", nicht gutbürgerlich, spießig, langweilig. Nun, all das steht nun im Zusammenhang mit meinem Experiment:


Nachdem ich einen Dokumentarfilm über die Welternährung und Nahrungssituation gesehen hatte, der appelierte, sich mehr mit der Welt auseinander zu setzen, wurde ich mir bewusst, wie wenig ich eigentlich tat. Der Film war der Grundstein für diesen Blog, und nachdem ich einen der Fakten im Film behördlich erfragt hatte, baute ich mein Vorhaben aus; jeden Tag eine Verrücktheit zu unternehmen, etwas abnormes, etwas nicht-alltägliches - etwas, um dem Alltag zu entkommen.
Dummerweise kam meinem Feldexperiment nach zwei Wochen eine Krankheit in die Quere, die mich ans Bett fesselte und zu träge machte, um die Tage weiterzutreiben, irgendwann einmal werde ich wieder anfangen. Insgesamt kamen 15 Tage zusammen, und diese kamen mir vor wie mehr als ein Monat. Ich schlussfolgere daraus, dass un-alltägliches jeden Tag einzigartig werden lässt und somit die unterschiedlichen Erinnerungen die gefühlte Zeit verlängern.
How to: 2 Wochen ohne Alltag:


Tag 1: -Eine Mail an das Finanzministerium verfassen und fragen, wie die Mankos der Lebensmittelpolitik entstehen. Eine Antwort bekommen und süffisant lächeln.
Tag 2: -Den ganzen Tag im Bademantel herumlaufen.
Tag 3: -Mit dem Fahrrad in die Stadt fahren, zur Hauptverkehrszeit. Macht riesigen Spaß, auf einer dreispurigen Straße dahinzugondeln.
-2 Mal in das englische Kino gehen.
- Einen Mc Donald's Spendensticker im Schritt tragen & gespendet haben.
-Das Fahrrad, mit dem man gekommen war, auf einer riesigen Einkaufsstraße abgestellt haben und es stehlen lassen. Mit der U-Bahn nach Hause fahren.
Tag 4: -Einen absolut langweiligen Tag haben.
Tag 5: -In den eigenen Garten pinkeln.
Tag 6: -In einen Meditationskurs gehen, den man auf einem Plakat an der Straße gesehen hat. Merken, dass Meditation eigentlich cool ist, aber konsequent praktiziert werden muss. Bin zu unkonsequent.
Tag 7: -Leute auf einer hochfrequentierten Einkaufsstraße fotografieren
-Einen WWF-Vertrag abschließen und für einen sibirischen tiger Pate werden. Die Mitgliedschaft 5 Minuten später aus Altersgründen wieder aberkannt bekommen.
-Die Uni besuchen und im größten Hörsaal eine Prüfung stören. Verduften.
-Fotoshooting mit einem Freund und einem Bettler machen und ihm dafür was ins Becherchen werfen.
-Ein Einrad kaufen!
Tag 8: -Eine Fotomesse besuchen und einen bösen Plan für den nächsten Tag fassen.
Tag 9: - Den bösen Plan umsetzen und ein Plugin erfinden, das es nicht gibt.
Tag 10: -Zu einer Vorlesung an die Uni gehen und begeistert vom Studentenleben sein. Dafür langweilige Schulstunden entfallen lassen.
Tag 11: -Eine Palmers-Säule mit nackten Damen an die Schule bringen, vom Direktor ertappt und verboten werden und die Säule schließlich über einen Misteimer stülpen.
Tag 12: -Eine 20 Jahre alte Studententasche von Papa erben und als neue Schultasche verwenden. Die Mitschüler begeistern.
Tag 13: -Das gekaufte Einrad in die Schule mitnehmen und in der Freistunde am Sportplatz damit herumfahren.
Tag 14: -Mit einem Einteiligen Overall und großer Kamera den Tag der offenen Tür der eigenen Schule besuchen. Fotos knipsen und den Direktor angrinsen, der nichts gegen das hässliche Outfit unternehmen kann.
Tag 15: -Auf die Idee kommen, dass es Sprungstiefel tatsächlich gibt und für 221€ auf ebay ein Paar ersteigern.
-Die höchste Website der Welt besuchen.


Für mich hat das Experiment eine klare Aussage: Je abwechslungsreicher das Leben, desto länger ist es.


bring it to mind.
.tobias

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