Existenz und Wirklichkeit

Anstoß für die folgende Überlegung gab mir Renè Descartes mit seinem wohl berühmtester Ausspruch:
"Ich denke, also bin ich."
Descartes gilt als einer der größten Philosophen der Neuzeit, und dieses Postulat wohl zu einem der bedeutendsten. Nun, nur weil er ein großer Denker war und wichtige Forschtschritte in der Phliosophie brachte, heißt das noch lange nicht, dass er recht hat. Ist dieses Postulat allgemein gültig, darf man es für wahr befinden?
Nein. Descartes hat nicht recht - Er hat möglicherweise recht, aber nicht bestimmt. Sein Ausspruch gründet auf einem ganz bestimmten Trugschluss, nämlich dem, dass unsere Existenz durch unsere Fähigkeit zu Denken beweisbar wäre. Für die Menschen sowohl damals als auch heute mag Descartes' Postulat als nachvollziehbar und wahr gelten - dabei übersieht man aber den kleinen Schönheitsfehler: Mit dem Postulat, dass das Denken des Menschen ein Indiz für das Sein darstellt, nimmt man automatisch auch an, dass Denken nicht imitierbar ist. Dass Bewusstsein beinahe eine übernatürliche Eigenschaft ist.
Meine Überlegung dazu ist titelgebend für den Artikel: Über den Horizont hinauszugehen, den wir uns selbst schaffen. Zugegeben, der Mensch ist das höchste, was wir bis jetzt kennenlernen konnten, aber heißt das automatisch, dass diese Tatsache für immer gültig bleibt? Ebenso hier antworte ich mit nein. Wir Menschen sehen uns in der Bequemlichkeit, uns auf unsere fünf Sinne voll und ganz zu verlassen, und allem, was darüber hinausgeht, kein Interesse zu schenken.
Ein sehr gutes Beispiel, für das, worauf ich hinauswill, ist Platons Höhlengleichnis und der Film Matrix. Die Menschen in diesen Gleichnissen befinden sich in einer Scheinwelt, in einem trügerischen Gebilde, das sie nicht zu durchschauen vermögen. Sie haben auch kein Interesse daran, ihr Sein zu hinterfragen, die Realität ihrer Umgebung in Frage zu stellen. Sie leben vor sich dahin und haben keine Ahnung, in welcher Lage sie sich in Wirklichkeit befinden. Hier kommen wir zum zentralen Punkt der Überlegung: Wirklichkeit. Es mag durchaus eine absolute Wahrheit und Wirklichkeit geben - diese ist aber auf keinen Fall die Welt, die wir als wahr anerkennen. Unsere Welt ist geprägt vom naturwissenschaftlichen, denkenden Verständnis des Menschen, unsere Wahrnehmung erlaubt uns auch nichts anderes. Wir sind eine Barriere für uns selbst.
Kommen wir zurück auf Renè Descartes - Ich denke, also bin ich. Das klingt in unserer selbstgeschaffenen Wirklichkeit logisch, sobald wir unsere Auffassung aber hinterfragen, ist die Annahme unhaltbar. Stelle dir folgendes vor: Die Welt um dich herum ist ein Traum. Ein luzider Traum, der dir logisch erscheint - klar, denn du kennst nichts anderes, als die Logik, die dich umgibt. Stell dir vor, die Welt dreht sich eigentlich um dich, alles um dich herum ist eine Schöpfung deines Traumes. Genauso wie ich, nur eine Illusion. Niemand kann dir seine Existenz beweisen, denn alles, was er sagt, ist ein Produkt deiner Fantasie. Wenn du Vanilla Sky gesehen hast, weißt du, wovon ich spreche. Nicht einmal ich könnte dir meine Existenz beweisen, da der Text und ich womöglich auch nur ein Teil dieses Traumes sind.
Gehen wir einen Schritt weiter - wage den Schritt der Vorstellung, dass nicht einmal du selbst real bist. Stellen wir uns einen - für uns übernatürlichen, nicht wahrnehmbaren - Träumer vor, der eine gesamte Welt imaginiert und den Wesen dieser Welt verschiedene Eigenschaften gibt - Hunden etwa die Fähigkeit des Bellens, Affen die des Streichelns - und schlussendlich Menschen die Fähigkeit, zu Denken und sich selbst zu erkennen. Diese Fähigkeit ist zwar nur eine Imagination des Träumers, der Mensch aber ist nicht in der Lage, das zu erkennen - dafür ist sein Geist zu beschränkt.
Schlussfolgere aus dem Text nicht, dass ich tatsächlich an deiner und meiner Existenz Zweifel habe - ich will darauf hinaus, dass wir uns auch in diesem Punkt nicht sicher sein können.
Diese Überlegung mag pessimistisch und menschenfeindlich wirken,
uns vielleicht primitiver darstellen, als für was wir uns halten - aber sie ist in sich, wie so viel anderes, schlüssig.
Bring it to mind.
.tobias
Gentle - 9. Nov, 21:29